Julia Wegat

"Ist das Kunst oder gehört das verboten?"



Bildergalerie 

asylum

Flüchtlinge, zumal Jugendliche, die ohne den Schutz ihrer Familien in ein neues Land, eine neue Welt aufbrechen um dort für sich (und Ihre Familien) Frieden und (materielle) Sicherheit zu finden, sind ein stark polarisierendes Merkmal unserer Zeit.

Für asylum verbrachte ich über den Zeitraum eines halben Jahres regelmäßig Zeit mit einer Gruppe willkürlich gewählter Jugendlicher/junger Erwachsener, die in Deutschland laufend, aber noch nicht entschieden Asyl beantragt haben.

Von den Jugendlichen habe ich Portraits gemalt, die danach von den Portraitierten in ihrer Landessprache /-Schrift mit persönlichen Geschichten, Erfahrungen, Anliegen uvm. überschrieben wurden, sodass das Portrait hinter den Schrift partiell verschwindet.

Es entstand eine Bilderreihe von Gesichtern und den unterschiedlichsten Schriftbildern und -arten.



Ben Jakov Paintings

Eigentlich bedarf Max Mannheimer, der unter dem Namen ben jakov malt, keiner Vorstellung.


Als Zeitzeuge und 84-jähriger Holocaust-Überlebender ist er einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch seine Tätigkeiten für Wohlfahrtsorganisationen und das ständige Mahnen gegen das Vergessen der Gräuel des “3.Reichs”. Dafür wurde er u.a. mit der Ehrendoktorwürde der Ludwig-Maximilian-Universität ausgezeichnet.

Nach Durchsicht seines Ateliers hatte ben jakov einige bemalte Leinwände, von denen er sich zu trennen gedachte, im Jahr 2002 Julia Wegat übergeben; sie könne sie doch sicher für ihre Zwecke gebrauchen.


Es kostete sie ziemliche Überwindung – denn schließlich hatte Julia Wegat ja mehr oder weniger fertige Arbeiten, also Aussagen eines Künstlers, vor sich – bevor sie sich ans Werk machte.


Es entstanden völlig unterschiedliche Bilder, die jedoch dieselbe Wurzel haben, nämlich alle aus dem Atelier von ben jakov stammen.



Die Wand

die 7 x 23 meter flächige wand im sportplatzbereich eines innenhofes der justizvollzugsanstalt kaisheim (sicherheitsstufe 1) sollte von den künstlerinnen julia wegat und kaline versmold zusammen mit einer anzahl von gefangenen gestaltet werden.

das thema gaben die künstlerinnen vor: "paradies", ein bißchen wenig einfühlsam vielleicht, aber um so lohnender, als die gefangenen eigene ideen und assoziationen zunächst aufs skizzenpapier und dann in die gemeinsame gestaltung einbringen sollten.

die spray- lasur technik der malerei an sich ist flexibel und wandelbar. per spraytechnik kann das motiv von einem tag zum anderen vollständig sein „gesicht“ und damit seinen ausdruck ändern. man denke an die graffiti in den großstädten, in denen sich ständig (sozusagen über nacht) neue figuren, neue gesichter und landschaften befinden, die jeweils die aussage auch entscheidend ändern.


neben der ausnehmend gelungenen gesamtgestaltung als endergebnis, bleibt der überraschend friedlich-kindliche gestaltungsvorgang an sich erwähnenswert



Fremde Heimat

Wie auch in ihrer älteren Bildern bleibt auch in dieser Bildserie, trotz aller Anklänge an die traditionelle Malerei, der konzeptionelle Ansatz sichtbar. Die Künstlerin impliziert selbstverständlich und doch subtil die Frage nach Heimat und Fremde, nach Verwurzelung und Isolation. Wie  bei vielen ihrer anderen Bilder malt sie die Porträts zunächst fotorealistisch in höchster Perfektion auf handelsüblichen Dekostoff. Dessen ornamentale Struktur bleibt teilweise in den Körpern und Gesichtern sichtbar. Danach übermalt sie die Bildnisse teilweise mit einer lasierenden weißen Farbschicht. In diese Farbschicht schreibt sie die Bezeichnung ursprünglich exotischer Pflanzen, die mittlerweile bei uns heimisch geworden sind. Sie sind nach Jahren fest verwurzelt in ihrer neuen Heimat .


Damit wird auch die Intention der Übermalung deutlich. Sie soll nicht zerstören, nicht verletzen, sondern eher schützen und verdeutlichen. Sie offenbart mehr als sie verbirgt. Das Resultat dieser Vorgehensweise sind fragmentarische oder nur noch schemenhaft erkennbare Figuren, denen die Künstlerin ein Versteck, einen Ort der Zuflucht bietet.


Innerhalb ihres Werkes nimmt die Malerei bei Julia Wegat einen großen Stellenwert ein. Für sie  ist sie nicht nur Ergänzung, sie ist vor allem Notwendigkeit und auch mit ihren jüngsten Arbeiten gelingt es der Künstlerin, den Betrachter intellektuell zu fordern, ihn gleichzeitig aber auch emotional zu berühren.

Mit dem Projekt gewann sie 2006 Hauser-Kunstpreis „zeitsicht“




Freunde und Nachbarn

Das als work-in-progress angelegte Malerei-Projekt freunde und nachbarn begreift sich, wiewohl die historische (Kunst)Geschichte wesentlicher Bestandteil ist, nicht als Zeitzeugeninszenierung o.ä.

Konsequent realisiere ich eine ethnologisch-wissenschaftliche Arbeit mit künstlerischen Methoden1 wobei ich kartierende Verfahren ansetze2, für deren Auswertung ich visuelle Methoden entwickle. Unter Verzicht auf einen großformatig rahmenden Diskurs, wird in dieser Archiv-Sammlung der Weg frei zu individuellen, semantischen, Horizonten und das Bildprojekt bildet ein Labor, das aktuelle und vergangene Erscheinungen im persönlich/privaten Blickwinkel abbildet.


Mich interessiert hierbei stets die Historie als vergangene, als historische, archivierte Zeit.

Nicht nur die der Figuren, die ich abbilde, sondern auch die der Materialien, mit denen ich arbeite, wobei sich beides idealerweise verschränkt.  


Bei freunde und nachbarn bekommt dieser Archivierungsgedanke eine fassbare Ausprägung; handelt sich doch um ein Malereiprojekt, das sich mit konkreten (kunst) historischen Vorgaben beschäftigt.





Männerraum / Frauenraum

jetzt ist mir auch endlich klar, warum das malerei sein muss, im „Schuldigkeitsraum“.


weil diese methode keine distanz zulässt. weil jemanden malen, sich ganz auch jemanden einlassen bedeutet. jemanden durch mein (denk-)system „schleifen“ und konzentriert wieder abstrahlen.


darum muß es malerei sein.

um eigene erfahrungen erfahrbar zu machen!

Dafür erhielt sie 2005 das Bundesstipendium SozioKultur


 

Märchenbilder


 

2019 gewann Julia Wegat eine Verfassungsklage zum Verbot eines dieser Bilder. 




Schönheiten

Bezugspunkt die die Schönheitengalerie König Ludwigs I. In München.

Die bayerischen Frauen, die für diese Bilder Modell standen, wurden vom König persönlich, nach ästhetischen, ebenso, wie erstmals nach moralischen Kriterien ausgewählt; hiermit wird die Tradition ähnlicher Schönheitengalerien durchbrochen, nach der sich Frauen durch ihren sozialen Staus qualifizieren.

Hier stehen die Frauen selbst im Mittelpunkt; bayerische Frauen oder in Bayern lebende Frauen, die sich durch ihre (im weitesten Sinne) Leistung auszeichnen und beispielgebend sind; durch jeglichen Verzicht auf Inszenierung von außen oder (erhobenen) interpretierenden Zeigefinger, soll eine Authentizität entstehen, die den konventionellen Schönheitengalerien fehlt und den Sprung durch die Zeit und die entstandenen gesellschaftlichen Veränderungen, zu einem nachvollziehbaren macht.

Es handelt sich um eine Projekt um das Gesellschaftsportrait.

Das Projekt nutzt zwei Medien.


Das Medium Film, das Medium der schnellen Bilder, das für objektive Information steht, einen Eindruck simultaneren Geschehens, zeitgleichen Beobachtens hinterlässt.

Hier transportiert es die „persönlichen“ Bilder der Dargestellten. Bilder, die Rückschlüsse zulassen auf die gefilmte Person, ihren Charakter, ihr Denken – hier ist es das Medium von Inszenierung und Selbstdarstellung.


SPIT

SPIT ist sichtbar – SPIT lebt. Der Film SPIT, ein Gemeinschaftsprojekt der Künstlerin Julia Wegat, des Bildgestalters Gasan Alpaslan und rund 50 deutsch-türkischen Jugendlichen, die alle aus dem sozielen Brennpunkt München Neuperlach stammen, wird aufgeführt. Was ist SPIT? SPIT nimmt teil an und ist gleichzeitig Teil von  i h r e n Lebenswelten: ein Doku-Spielfilm, dessen Drehbuch die Akteure selbst geschrieben und verwirklicht haben – von der Idee bis zum leinwandreifen Produkt.

Konzeptkünsterlin Julia Wegat, die Initiatorin, will mit ihrer Idee den Blick auf ein hochbrisantes Thema lenken: Bisher konnten so genannte "Jugendliche mit speziellem Förderungsbedarf", also beispielsweise Schulabgänger ohne ordentlichen Abschluss, in außerbetrieblichen Ausbildungslehrgängen fehlende Grundlagen nachholen und sich so gezielt auf das Berufsleben vorbereiten. Nach dem Bundesausbildungsgesetz werden Träger dieser Benachteiligtenförderung staatlich unterstützt. Eine Änderung des Gesetzes, genauer gesagt, die radikale Kürzung der Mittel, wird viele berufsvorbereitenden Einrichtungen arbeitsunfähig machen. Was heißt das und um wen geht es? Wer sind die Betroffenen – welche Position haben sie in unserer Gesellschaft? Wie sehen sie sich selbst und was machen sie aus  i h r e m  Leben in  i h r e m  Film? Die Vermischung von Realität und Fiktion – der Film SPIT als Konzept und Werk wirkt innen und außen, bei allen am Entstehungsprozess Beteiligten und den später dazu kommenden Betrachtern.

                                                                                                                                                                                         2004 Europa Projektstipendium für SPIT  

  2005 Filmfest München; bayerischer Filmpreis „weißer Elefant“ für SPIT



Bergesehn 

der berge sehn wird eine gemäldereihe, 46 arbeiten gleichen formats (60 x 70cm), des digitalen blicks der webcam auf der zugspitze, im zeitraum von oktober bis märz 2005/2006.

das wesentliche an den gemalten bergansichten ist  nicht das panorama an sich, sondern das oben rechts vermerkte datum und die uhrzeit.

daten und zeiten sind jeweils der zeitpunkt zu dem eine person in münchen vereinsamt und anonym verstorben ist.


eine ansicht des bergpanoramas vom höchsten punkt deutschlands zu „konservieren“ und darum zu wissen, dass es sich um den todeszeitpunkt einer person handelt, die einsam gestorben ist, der damit posthume würde verliehen wird,  trägt zeitgenössische christlich-romantische züge. inhaltlich verbindet sich dies mit den sehnuchtsvollen bildern Caspar David Friedrichs mehr, als mit der bekannten alpenländischen malerei und erweitert diese dadurch um ein wesentliches.


Tote Tiere 

Hier setzt das Malerei-Projekt von Julia Wegat an. Die Kollision mit der Endlichkeit ist gerade in unseren Tagen, wo fast alles planbar und käuflich ist, besonders schmerzlich. Als Folge wird alles, was mit Sterben und Tod zusammenhängt, als scheinbar nicht existent beiseite geschoben. Die Künstlerin möchte mit ihrer Arbeit dieser immer weitergehenden Verdrängung und Tabuisierung von Sterben entgegenwirken. Der Betrachter wird mit Bildern des Todes konfrontiert. Die Bilder evozieren eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit, und stellen damit auch die Sinnfrage für das eigene Dasein. Der Tod soll sichtbar und bewusst werden- ohne Schrecken zu verbreiten. Der Tod wird gezeigt als Bild der letzten Ruhe, als Schlafes Bruder.

Nachdem Julia Wegat sich in einer größeren Werkreihe mit dem Thema „Schlaf“ beschäftigt hat, dem Zustand des Unbewussten, von dem Hebbel sagt, er sei „das Hineinkriechen des Menschen in sich selbst“, erscheint es für sie konsequent, den nächsten Schritt zu gehen, und sich nun mit dem Themenkreis Sterben, Tod, Endlichkeit auseinander zu setzen.

Sie wird Bilder von toten Menschen malen, vorwiegend von solchen, die ohne Angehörige durch eine sog. Ordnungsamtbestattung „entsorgt“ werden. Ein memento mori für all die Verstorbenen, von denen weder Namen noch Lebensdaten als Spur ihres Lebens übrig bleiben.

Die Künstlerin, die eine für sie charakteristische und zeitgemäße Bildsprache entwickelt hat, wird auch in diesen Bildern zwei vollkommen gegensätzliche Grundpositionen der Malerei miteinander vereinigen, einen minutiösen Fotorealismus mit subjektiv-emotionalen (Farb)-Strukturen.

2005/06 Bayerisches HWP Stipendium (totenprojekt)